Sicher erinnern sich viele an den verstörenden NY Times-Artikel, der im Jahr 2008 zum ersten Mal über Massenverstümmelungen an indonesischen Mädchen berichtete. Vier Jahre später – im November 2012 – beschäftigt sich der UK Guardian mit dem Thema und deckt auf, das sich das Problem der Verstümmelungen in Indonesien massiv verschlimmert hat. Die (ohnehin wenigen) Anti-Verstümmelungs-Kampagnen blieben völlig wirkungslos.
Bis 2008 wurde die Existenz und epidemische Verbreitung von Genitalverstümmelungen in Indonesien stets in den Bereich der „vagen Vermutung“ und „unbestätigten Annahme“ verwiesen. Bis heute negieren und ignorieren westliche Politiker, Entwicklungshilfeorganisationen, Frauenrechtsorganisationen und die Mehrheit der „Anti-FGM-Initiativen“ das Problem der Genitalverstümmelungen in Indonesien und Asien. Gleichzeitig trivialisieren sie das Ausmaß der Verletzungen mit der Begründung, die Verstümmelungen in Indonesien seien nicht vergleichbar mit denen, die in Afrika verübt werden, da sie eher „symbolischer Natur“ seien und ohne ernsthafte Verletzungen auskämen.
Vor diesem Hintergrund ist es höchst irritierend, dass der einflussreiche amerikanische Entwicklungshilfe-Konzern USAID bereits im Jahr 2003 eine profunde wissenschaftliche Studie über die Verbreitung von Genitalverstümmelungen in Indonesien finanziert und begleitet hat, die schockierenden Ergebnisse in der Öffentlichkeit jedoch verschweigt bzw. weitgehend vorenthält (*1):
72% der indonesischen Mädchen erleiden gravierende gewaltsame Genitalverstümmelungen: Die meisten extremen Formen (Klitoridektomie = Abtrennen der Klitoris) werden in einem modernen, urbanen und gebildeten Umfeld verübt.
Die Studie wurde in 8 Distrikten Indonesiens durchgeführt und deckt die größten ethnischen Volksgruppen von Osten bis Westen des Landes ab. Hier einige wichtige Erkenntnisse:
werden von professionellem medizinischem Personal wie Hebammen, Ärzten und Krankenpflegern verübt. (Seite 30).
Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Modernisierung und Medikalisierung der Verstümmelungen und der Zunahme schwerer Verstümmelungen (Exzision).
In der Studie wird sowohl die massive Verbreitung als auch die enorm hohe Anzahl schwerer Verstümmelungen so detailliert beschrieben, dass die Aussagen über „unbestätigte Informationen“ oder „nur vage Vermutungen“ fundiert widerlegt werden können.
Genitalverstümmelung in Indonesien ist ein rein islamisches Problem – mit dem Islam eingeführt, gerechtfertigt, propagiert und weiter verbreitet
Während westliche Politiker und Organisationen weiterhin die weibliche Genitalverstümmelung zu einem “kulturell tief verwurzelten” Phänomen erklären, das nichts mit Religion zu tun habe und “von keiner großen Religion gefordert werde” (*2), werden diese Phrasen von den tatsächlichen Fakten als Ausdruck grober Ignoranz entlarvt:
Weibliche Genitalverstümmelung wurde nach Indonesien –ebenso wie in andere asiatische Länder wie die Maldiven and Malaysia und die meisten westafrikanischen Länder – mit dem Islam eingeführt, als religiöse Pflicht: Vor der Islamisierung (15. bis 18. Jahrhundert), waren Genitalverstümmelungen in Asien/Indonesien unbekannt und werden heute nahezu ausschließlich in islamisierten Gebieten verübt. In der Landessprache und den regionalen Sprachen existierte nicht einmal ein Begriff für Genitalverstümmelung, daher werden die arabischen Begriffe “Khitan”, “Sunnah” and “Khifad” zur Umschreibung verwendet – und verweisen gleichzeitig auf die arabische Herkunft dieser Gewalt.
Bereits 1998 verwiesen Andrée Feillard und Lies Marcoes auf die Tatsache, dass die weibliche Genitalverstümmelung von muslimischen Klerikern in Indonesien eingeführt und verbreitet wurde – ein Prozess, der bis heute andauert:
Heute organisiert z.B. die islamische Yayasan Assalaam Foundation offene und öffentliche Massenverstümmelungen in der Stadt Bandung, bei der mehrere hundert Mädchen gleichzeitig verstümmelt werden und die Opferzahl jedes Jahr kontinuierlich steigt.
Mit Beliebigkeit oder gar Zufall haben diese Fakten nichts zu tun und sie überraschen auch nicht, denn die Mehrheit der indonesischen Muslime folgt der shafi’itischen Rechtsschule, die weibliche Genitalverstümmelung als islamische Pflicht propagiert:
“Circumcision is obligatory (for every male and female) by cutting off the piece of skin on the glans of the penis of the male,but circumcision of the female is by cutting out the clitoris (this is called HufaaD).”
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die weibliche
Genitalverstümmelung in Indonesien ein sehr junges Phänomen darstellt, das – ebenso wie in vielen westafrikanischen Ländern – keineswegs „tief in der Kultur des Landes verwurzelt ist“.
Im Gegenteil – Genitalverstümmelung muss in diesen Ländern als Symptom und Folge der Verdrängung und Überlappung ursprünglicher, gewachsener Kultur durch den Islam und seine Dogmen gesehen werden.
Die Menschen in Indonesien verüben Genitalverstümmelung nicht etwa aus Mangel an Bildung und Wissen – was übrigens für sämtliche Verstümmelungskulturen zutrifft – sondern sie unterwerfen ihre Töchter dieser Gewalt im vollen Bewusstsein des Leids und der Schmerzen, die sie ihnen damit zufügen – aus einem einfachen Grund: Sie ordnen die individuellen Rechte und Interessen ihrer Kinder den religiösen Ansprüchen nach Unterwerfung, Kontrolle und der Erfüllung der pathologischen männlichen Jungfäulichkeits-Obsession unter.
Ob es für die Mädchen in Indonesien eine Zukunft ohne die Gewalt der Genitalverstümmelung geben wird, hängt auch maßgeblich davon ab, dass die Weltöffentlichkeit, Politiker und Entwicklungshilfeorganisationen ihre ignorante Haltung gegenüber dem Leid dieser Kinder aufgibt und mit Druck auf die indonesische Regierung zur Umsetzung eines wirksamen Verbotes und dessen Durchsetzung einwirkt.
(*1) In einem weiteren Artikel werden wir uns intensiver mit der kritikwürdigen Haltung und dem fatalen Einfluss von USAID auf die Perpetuierung der Verstümmelungsgewalt befassen und der Frage nachgehen, warum der Konzern die nachgewiesenen Daten und Fakten über das Ausmaß der Genitalverstümmelungen in Indonesien vehement leugnet.
(*2) Scott Redloff, Direktor/Office of Population and Reproductive Health, USAID, 2008
Fotos (C) Stephanie Sinclair, Aulia Akbar, Azlan DuPree
3 Comments
[…] auch in arabischen und asiatischen Ländern wie Irak, Jemen, Vereinigte Arabische Emirate, Oman, Indonesien und […]
[…] überraschend sind diese Zahlen nicht, denn auch im Nachbarland Indonesien wird mittlerweile die Mehrheit der Mädchen den schmerzhaften Eingriffen unterworfen. Ebenso wie bei der Verbreitung der Genitalverstümmelungen von Ost- nach Westafrika ist auch in […]
Die Würde der Frau ist unantastbar!
Allah wird diese Männer in der Hölle vom Teufel verstümmeln lassen!