Nach Schätzungen der British Medical Association werden in Großbritannien jedes Jahr bis zu 3.000 minderjährige Mädchen an ihren Genitalien verstümmelt. Nach Einführung einer Dokumentationspflicht für Ärztinnen und Ärzte wurden allein im September mehr als 1.700 Mädchen und Frauen wegen der Folgen von Genitalverstümmelungen behandelt!
Der Handlungsdruck auf die Regierung wächst in den letzten Jahren stetig, nachdem Ärzte mit erschreckender Selbstverständlichkeit angeboten hatten, Genitalverstümmelungen in britischen Kliniken zu verüben.
Sowohl Täter als auch anstiftende Eltern hatten bislang – trotz gesetzlichen Verbotes der Genitalverstümmelungen seit 1985 – keine Strafverfolgung zu fürchten und gefährdete Mädchen hofften vergebens auf Schutz.
Das könnte sich endlich ändern, denn das britische Justizministerium plant mit dem neuen „Serious Crime Bill“ wirksame Schutzmaßnahmen und Strafen:
1. Wenn das Risiko besteht, dass Mädchen im Ausland Opfer der Verstümmelung werden, soll es nun möglich sein, einen Gerichtsbeschluss zu erwirken und den Reisepass der Mädchen einzuziehen, um die Ausreise in das Risikoland zu verhindern.
Diese einzig wirksame Maßnahme, um Genitalverstümmelungen im Ausland zu verhindern, hat sich in Deutschland bereits seit
rund 10 Jahren bewährt, seit der Bundesgerichtshof im Dezember 2004 die Einschränkung des Aufenthaltsbestimmungsrechts als „angemessen und geboten“ bestätigte. Zahlreiche deutsche Gerichte haben seitdem dem Schutz der körperlichen Unversehrtheit die höchste Priorität eingeräumt und mit entsprechenden Beschlüssen sichergestellt, dass gefährdete Mädchen nicht in die Risikoländer verbracht werden können.
2. Eltern oder Personen, die Verantwortung für Mädchen innehaben und nicht verhindern, dass sie Opfer von Genitalverstümmelung werden, sollen sich künftig strafbar machen und wegen „Unterlassung, ein Mädchen vor Genitalverstümmelung zu schützen“ verurteilt werden.
Diese neue Rechtsnorm – vorausgesetzt sie wird konsequent umgesetzt – wird endlich zur Bestrafung der Eltern/Familienmitglieder führen, die die Verstümmelungen i.d.R. anstiften. Bishlang weigerte sich die britische Polizei, gegen die Täterfamilien vorzugehen – aus falscher Rücksichtnahme auf „kulturelle Empfindlichkeiten“.
Auch auf Mitarbeiter/innen von Jugendämtern und Sozialdiensten dürfte das neue Gesetz den Druck erhöhen, anders als bis bisher alle rechtlichen Möglichkeiten zum Schutz gefährdeter Mädchen auszuschöpfen.
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