Wie wir im Juni berichteten, war am 19.06.2014 der Prozessauftakt für das erste ägyptische Strafverfahren, das den Tod eines Mädchens aufgrund von Genitalverstümmelung zum Gegenstand hat:
Die 13 Jahre alte Soheir al-Batea – die ihre Familie wochenlang vergeblich angefleht hatte, unversehrt bleiben zu dürfen – war von dem Arzt und Imam Raslan Fadl verstümmelt worden und starb an der schweren Verletzungen, die ihr durch das Herausschneiden der Klitoris und Labien zugefügt wurden.
Nachdem der Täter zunächst für umgerechnet 9.000,-$ die Rücknahme der Strafanzeige erkauft hatte, die von den Eltern des Mädchens gestellt worden war, wurde die Akte geschlossen und erst auf Drängen verschiedener Organisationen wieder geöffnet: Raslan Fadl und der Vater des Opfers müssen sich nun vor Gericht verantworten.
Der Prozess dauert immer noch an. Auf einer Anhörung im September legte ein Inspektor des Gesundheitsministeriums einen forensischen Bericht vor, der den Tod des Mädchens als direkte Folge der Genitalverstümmelung bestätigt. Dieser Bericht widerlegt ein anderes Gutachten, das von einem Kollegen des Täters erstellt worden war und als Todesursache eine Penizillin-Unverträglichkeit beschrieb.
Reda el-Danbouki und seine Organisation Women Centre for Guidance and Legal Awareness setzen sich dafür ein, dass Fadl
verurteilt wird. Ihrer Kampagne ist es zu verdanken, dass der Fall vor Gericht gebracht und das neue Gutachten erstellt wurde.
Raslan Fadl selbst scheint die Anklage wenig zu beeindrucken – denn laut el-Danbouki verübt er in seinem Haus weiterhin Genitalverstümmelungen und während der Haupt-Verstümmelungszeit vor Ramadan standen Eltern, die ihre Töchter verstümmeln lassen wollten, vor Fadl’s Haus Schlange!
Auch für die Familie des Opfers ist Soheir’s Tod keineswegs ein Grund, die Genitalverstümmelung infrage zu stellen oder aufzugeben. Sie würde das Mädchen jederzeit wieder der Verstümmelung unterziehen, wie die Großmutter verdeutlicht: „…she would have to be cut. Here, every woman is.”
Es bleibt also abzuwarten, wann die Täter endlich verurteilt werden – und mit welchem Strafmaß…
Ägypten gehört nach wie vor zu den Ländern mit der weltweit höchsten Verstümmelungsrate: 91% – d.h. nahezu die gesamte weibliche Bevölkerung – wird dieser Gewalt unterworfen, um sie an der Entwicklung einer eigenständigen Sexualität zu hindern.
Gerade am Beispiel Ägypten wird sehr deutlich, dass die Aufrechterhaltung dieser Gewalt weder mit fehlenden Kenntnissen der Folgen noch mangelnder Bildung bzw. Aufklärung zu tun hat:
Bereits ihre flächendeckende Verbreitung verweist darauf, dass die Verstümmelung von Mädchen in allen sozialen Schichten verübt wird: Fast jedes Mädchen (92%) in den hochgebildeten Familien wird genital verstümmelt. Entgegen einiger medialer Berichte gibt es keine validen Belege für einen Rückgang.
75% der Verstümmelungen werden von gebildeten Medizinern verübt, die sich aus persönlichen monetären Interessen massiv für die Weiterführung der Verstümmelungen einsetzen.
Besonders Islamisten machen sich für die Legalisierung der Genitalverstümmelung stark und die Muslimbrüder boten aktiv die Tat für wenig Geld in mobilen Kliniken an.
Die Ursache der anhaltend hohen Verstümmelungsrate ist die Tatsache, dass weder Verstümmelungs-Täter noch die anstiftenden Familien bisher strafrechtliche Konsequenzen zu befürchten hatten. Das erkennen mittlerweile auch Aktivisten vor Ort, wie Atef Abdelaty, der als Anwalt an Soheir’s Fall arbeitet und folgerichtig schlussfolgert: „it can be stopped only by enforcing the law.”
Erst im Jahr 2008 wurde in Ägypten die Verstümmelung von Mädchen durch Mediziner wieder legalisiert: Sie müssen lediglich deren“Notwendigkeit” attestieren…
weitere Artikel zum Thema:
– Ägypten legalisiert Genitalverstümmelung (2010)
– Ägyptischer Professor fordert vom Westen, Genitalverstümmelung zu erlauben (2012)
Fotos (c) Ed Yourdon, The Guardian
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