Am 23. Mai 2013 fällte das Landgericht Barcelona eines der in Europa bislang konsequentesten Urteile im Fall von Genitalverstümmelung an Mädchen: Das aus Gambia stammende Ehepaar Binta Sankano und Sekou Tutay muss für insgesamt 12 Jahre hinter Gitter, weil es im Jahr 2011 seine beiden sechs und 11-Jahre alten Töchter in Spanien genitalverstümmeln ließ. Die Täter leben seit 20 Jahren in Spanien und hatten noch im Jahr 2008 Mitarbeitern des sozialen Services versichert, ihre Töchter unversehrt aufwachsen zu lassen.
Bei einer Routineuntersuchung im Januar 2011 entdeckte ein Arzt die Verstümmelung und schaltete die Strafverfolgungsbehörden ein. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass die Misshandlung der Mädchen in Spanien verübt wurde, da das Paar keine Reisen nach Gambia unternommen hatte.
Das Urteil ist jedoch nicht nur aufgrund der hohen Strafe bemerkenswert, sondern insbesondere wegen der Tatsache, dass es für das Gericht unerheblich war, wer letztlich die Tat verübt hat: Das Gericht hat erkannt, dass vor allem die Eltern – ohne deren Anstiftung die Verstümmelung nicht erfolgt wäre – für die Tat verantwortlich sind und entsprechend zur Verantwortung zu ziehen sind.
Bereits Ende 2012 hatte ein spanisches Gericht einen „gut integrierten“ Mann aus Gambia zu sechs Jahren Haft verurteilt, der seine wenige Monate alte Tochter verstümmelt hatte. Die Mutter musste für zwei Jahre ins Gefängnis. Auch hier war die Verstümmelung des Kindes bei einer ärztlichen Routineuntersuchung entdeckt und gemeldet worden.
Auch in Deutschland ist die Verstümmelung von Mädchen ein
epidemisches Problem mit bis zu 80% Opfern innerhalb der Risikogruppen. Allerdings müssen die Täter hier keine Strafverfolgung fürchten, da die rechtlichen Rahmenbedingungen verhindern, dass – wie in Spanien – von Ärzten diagnostizierte Verstümmelungen bei Kindern an Strafverfolgungsbehörden gemeldet werden.
Dabei sind in Deutschland Genitalverstümmelungen an Mädchen nach geltendem Recht (§224 StGB, §225 StGB, §226 StGB) mit bis zu zehn Jahren Haft strafbewehrt.
Die zahlreichen Gesetzesinitiativen, die Parteien und Parlamentarier in den letzten Jahren auf den Weg brachten, haben jedoch nicht zum Ziel, die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Bestrafung der Täter zu erleichtern. Vielmehr geht es den Politikern darum, das Strafmaß z.T. drastisch herabzusetzen, um die Täter vor eventueller Abschiebung zu bewahren, wie die Gesetzesanträge des Bundesrates und der SPD zeigen.
Und glaubt man aktuellen Pressemeldungen, so will die CDU das mögliche Strafmaß für Genitalverstümmelung auf die Hälfte reduzieren und mit einer Strafandrohung von lediglich bis zu fünf Jahren Haft im Strafgesetz festschreiben.
Kritik an Gesetzesinitiative zu eigenem Straftatbestand
Bundesratsinitiative will Mindeststrafe für Genitalverstümmelung herabsetzen (2010)
Neuer Straftatbestand „Genitalverstümmelung“ ist Volksbetrug – und Betrug an den Opfern (2010)
Bundesrat will Genitalverstümmelung nicht völlig verbieten (2010)
Genitalverstümmelung: Seit 16 Jahren Thema im Bundestag – und immer noch “grünes Licht” für die Täter … (2011-2013)
Genitalverstümmelung an Mädchen: SPD will Strafmaß weiter herabsetzen… (2013)
Fotos (c) GIANLUCA BATTISTA/El Pais, iStockphoto
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Zitat: „Das Urteil ist jedoch nicht nur aufgrund der hohen Strafe bemerkenswert, sondern insbesondere wegen der Tatsache, dass es für das Gericht unerheblich war, wer letztlich die Tat verübt hat: Das Gericht hat erkannt, dass vor allem die Eltern – ohne deren Anstiftung die Verstümmelung nicht erfolgt wäre – für die Tat verantwortlich sind und entsprechend zur Verantwortung zu ziehen sind.“
Ehrlich gesagt halte ich das für problematisch, wenn man nicht mal versucht, herauszufinden, wer die Tat durchgeführt hat. Sollte es sich um traditionelle Verstümmler oder inländische Ärzte handeln, kann man sie doch nicht frei herumlaufen lassen. Außerdem werden Eltern oft von Verwandten und Menschen aus ihrem Kulturkreis unter Druck gesetzt. Es ist durchaus möglich, dass andere die Kinder zur Verstümmelung gebracht haben. Strafen ja, aber wenn dann bitte auch für die Verstümmler und für die Personen, die die Sache tatsächlich in die Wege geleitet haben. Es nicht mal zu hinterfragen ist auch Rassismus.
Liebe M. Günther,
in jedem Ermittlungsverfahren im Zusammenhang mit Genitalverstümmelung wird es selbstverständlich immer darum gehen, auch diejenigen zu verurteilen, die die Verstümmelung verübt haben. Allein bleibt es i.d.R. aussichtslos, jene Täter zu überführen, da sie von den Anstiftern nicht preisgegeben werden. Und die minderjährigen Opfer werden ohnehin wirksam zum Schweigen gebracht. So konnte auch im hier beschriebenen Fall das Gericht die Verstümmlerin oder den Verstümmler nicht ermitteln – was aber eben nicht bedeutet, diese Täter „frei herumlaufen“ lassen zu wollen. Nur wird von deren Verurteilung nicht die Verurteilung der Haupttäter – d.h. der elterlichen Anstifter – abhängig gemacht!
Fallen Sie bitte nicht auf den Mythos herein, es gäbe „Andere“, die sich plötzlich der Kinder bemächtigten und sie verstümmelten! Es braucht selbstverständlich die Zustimmung und Veranlassung der Eltern – insbesondere der Väter, die für die Verstümmelungen i.d.R. zahlen und sie veranlassen, um die Töchter später besser verkaufen zu können (siehe http://www.taskforcefgm.de/2011/04/english-the-myths-about-female-genital-mutilation-part-i/).
Ein weiterer Mythos – und Schutzbehauptung sowie gängiger Rechtfertigungsversuch der Täter – ist die Story von angeblichem Druck: Niemand steht in Europa unter dem „Druck“, Verbrechen zu begehen und seine Kinder zu foltern, zu misshandeln und zu verstümmeln!
Nein, mit „Rassismus“ hat das hiesige Vorgehen der Justiz nichts zu tun, im Gegenteil: Rassistisch ist, die elterlichen Anstifter vor Strafverfolgung zu bewahren – wie wir es in Deutschland bereits erlebt haben und wie es z.B. in Großbritannien gang ung gäbe ist.