Eltern, die in Deutschland leben und an ihren Töchtern eine Genitalverstümmelung veranlassen, müssen auch in Zukunft keine Strafverfolgung fürchten.
Was angesichts der aktuellen Bundesratsinitiative zur Schaffung eines Straftatbestandes „Genitalverstümmelung“ zunächst paradox klingen mag, lässt sich mit den rechtlichen Rahmenbedingungen schlüssig begründen:
Das Strafrecht kann immer erst dann angewandt werden, wenn die Strafverfolgungsbehörden Kenntnis eines Verbrechens erhalten.
Genitalverstümmelungen werden i.d.R. an minderjährigen Kindern verübt, die in Abhängigkeit von den Tätern/Anstiftern (Eltern/Familie) leben. Eine Meldung der Tat durch die minderjährigen Opfer kann grundsätzlich nicht erwartet werden.
Außerdem wird die Gewalt im Genitalbereich der Opfer verübt und bleibt meldeberechtigten Dritten (z.B. Nachbarn, Lehrern, Sozialarbeitern) weitgehend verborgen. Die Einzigen, die Genitalverstümmelung an minderjährigen Opfern feststellen können, sind Ärzte und medizinisches Personal, die der Schweigepflicht unterliegen. Die rechtlichen Regelungen der Schweigepflicht legen fest, dass grundsätzlich keine Meldung mit dem Ziel der Strafverfolgung geleistet werden darf. Ärzten wird somit die Meldung dieses Verbrechens an die Polizei/ Staatsanwaltschaft untersagt.
Der deutsche Staat zwingt Ärzte und medizinisches Personal auf diese Weise in die Komplizenschaft mit den Tätern und verhindert die Möglichkeit, das Strafrecht konsequent anzuwenden.
Der TaskForce liegen mehrere Berichte über die Einlieferung verstümmelter Mädchen in deutsche Krankenhäuser vor – welche die Täter (Eltern/Familie) dank Schweigepflicht ohne strafrechtliche Konsequenzen wieder verließen. Außerdem haben wir Belege dafür, dass in deutschen Arztpraxen Genitalverstümmelungen an minderjährigen Mädchen bekannt wurden, die Ärzte aber „rechtmäßig“ schweigen und die Täter schützen.
Die Frage, wie die – durch die Schweigepflicht erzwungene – Duldung von Genitalverstümmelungen an Kindern, für die der Staat eine Schutzpflicht zu erfüllen hat, ethisch und rechtlich zu rechtfertigen ist, haben bisher weder Parlamentarier noch Ministerien beantwortet.
Deutschland gehört mit seiner Politik des Täterschutzes durch die Schweigepflicht zu einer Minderheit in Europa: In den meisten europäischen Ländern besteht eine Meldepflicht von Genitalverstümmelungen.
Besonders die Bundesärztekammer und das Bundesgesundheitsministerium aber auch Politiker lehnen die Einführung der Meldepflicht ab und rechtfertigen das Schweigen stets damit, dass ansonsten „die Mädchen nicht mehr zur Untersuchung/zu Ärzten gebracht würden“.
Mit der Koppelung der Meldepflicht an eine gesetzlich geregelte, strikt sanktionierte Untersuchungspflicht kann dieses Täterschutz-Argument auf sehr einfache Weise ausgeräumt werden.
Zu dem Täterschutz-Aspekt lesen Sie auch den Kommentar von Arvid Vormann, WADI e.V.
12 Comments
[…] Ihre Fraktion – sich stattdessen der Lösung der wirklichen Problemen, z.B. dem bisherigen gesetzlichen Täterschutz durch die […]
[…] darauf hingewiesen, dass die rechtliche Rahmenbedingung der ärztlichen Schweigepflicht zu einem staatlichen Täterschutz für Verstümmelungstäter führt. Wir haben die Politiker folgerichtig aufgefordert, dieses […]
[…] erläutert, weshalb die geplanten Änderungen keine Verbesserung der Strafverfolgung und auch keinen Schutz für gefährdete Mädchen erreichen können. Der Antrag selbst soll deshalb heute nicht mein Thema […]
[…] unterliegen Ärzte, die eine Genitalverstümmelung an einem minderjährigen Kind feststellen, der ärztlichen Schweigepflicht, d.h. sie dürfen diese schwere Tat NICHT melden – weder dem Jugendamt noch den […]
(K)ein Gesetz gegen Genitalverstümmelung?…
Die Regierung hat ihre Pläne aufgegeben, so ein Gesetz zu beschließen. In einer Pressemitteilung vom März 2012 auf Bundestag.de heißt es dazu, dass kein „zwingender gesetzgeberischer Handlungsbedarf“ besteht, da Genitalverstümmelung nach geltendem Re…
[…] Die Straftat kann nur verfolgt werden, wenn die Körperverletzung auch festgestellt ist, was i.d.R. nur durch den untersuchenden Arzt stattfinden kann. Dieser aber unterliegt der medizinischen Schweigepflicht und darf deshalb seine Feststellung nicht an die Strafverfolgungsbehörden weitergeben. Da das Strafrecht erst dann angewandt werden kann, wenn diese Behörden Kenntnis eines Verbrechens erhalten, führt hier die Schweigepflicht zum Schutz der Täter. […]
[…] So erhielt Bernd Carstensen, Stellvertretender Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Zustimmung von Ulrich Franke und Ralf Wehowsky – Richter bzw. Bundesanwalt beim Bundesgerichtshof in Karlsuhe – für seinen Verweis auf die praktischen Schwierigkeiten bei der Strafverfolgung: Diese sind keineswegs Defiziten im Strafrecht geschuldet, sondern den rechtlichen Rahmenbedingungen, mit denen sich die Politiker allerdings bislang nicht auseinandersetzen wollen, wie z.B. der Verhinderung der Informationsweitergabe durch die ärztliche Schweigepflicht. […]
[…] dafür sorgt, dass die Täter sicheren Schutz vor der Strafverfolgung genießen – durch die ärztliche Schweigepflicht! Weiter heißt es: ”Mit Blick auf die betroffenen Mädchen ist es nach meiner Auffassung […]
[…] wurde seitdem angezeigt oder verurteilt – was nicht verwundert, denn der staatliche Täterschutz in Form der ärztlichen Schweigepflicht funktioniert nach wie vor prima. Weder Ärzte noch […]
[…] vor unserer eigenen Haustür schutzlos dieser Gewalt überlassen werden, weil die Regierung lieber die Täter schützt als die gefährdeten Kinder; dulden tausende Spender, dass Patenkindorganisationen wie World […]
[…] – Politiker, Regierung und Ärzteschaft verhindern mit ihrem anhaltenden Boykott einer gesetzlichen Meldepflicht von Genitalverstümmelungen an minderjährigen Opfern jede Möglichkeit, die Strafverfolgung für Verstümmelungstäter überhaupt erst einzuleiten und schaffen damit optimale Täterschutzbedingungen. […]
[…] – Politiker, Regierung und Ärzteschaft verhindern mit ihrem anhaltenden Boykott einer gesetzlichen Meldepflicht von Genitalverstümmelungen an minderjährigen Opfern jede Möglichkeit, die Strafverfolgung für Verstümmelungstäter überhaupt erst einzuleiten und schaffen damit optimale Täterschutzbedingungen. […]